Interview mit Oberin Schwester Erna Biewald

2010 ist Oberin Erna Biewald als Diakonisse eingesegnet worden. Im Interview spricht sie über ihre Arbeit als Oberin, ihr Verhältnis zu den Diakonissen, die Tracht, die Stille und die Frage, ob Exerzitien der richtige Weg zu Gott sind.

Online-Redaktion: Als Oberin hat man bestimmt sehr viel zu tun. Was sehen Sie unter Ihren vielen Pflichten als zentrale Aufgabe?

Oberin Biewald: Im Grunde sehe ich mich als Seelsorgerin für die Schwestern. Ich bin ihre seelsorgerliche Begleiterin, habe immer ein offenes Ohr für sie, besuche sie und halte mit ihnen Andachten. Daneben habe ich natürlich viele administrative Aufgaben zu erledigen, unter anderem als Mitglied des Direktoriums, wo ich Mitverantwortung trage für die Belange der Diakonie Neuendettelsau.

Online-Redaktion: Kennen Sie denn alle Ihre Schwestern?

Oberin Biewald: Ja, selbstverständlich. Dabei kam mir damals, 2003, mein ausgezeichnetes Namensgedächtnis zu Gute.

Online-Redaktion: Jetzt gehören Sie als Oberin zu den jüngeren Diakonissen. Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und den Schwestern, die ja größtenteils viel älter sind als Sie?

Oberin Biewald: Es ist von Vertrauen geprägt. Sie wissen, dass ich es im Herzen gut meine mit ihnen. Und die Entscheidung, nach fünf Jahren zivile Oberin, eine von ihnen zu werden haben sie mit großer Freude aufgenommen.

Online-Redaktion: Sie kommen ja u.a. auch aus der Seniorenarbeit. Das ist bei der Arbeit hier sicher von Vorteil?

Oberin Biewald: Meine Arbeitsschwerpunkte auf dem Hesselberg haben mich alle geprägt. Die Seniorenarbeit ist da sicherlich von Vorteil.

Online-Redaktion: Zurück zu den Diakonissen hier in Neuendettelsau. Was denken Sie, verbindet Sie am meisten mit ihnen?

Oberin Biewald: Das Wesentlichste ist das gemeinsame geistliche Leben, wo wir uns in den Gottesdiensten und vor allem bei den Tageszeitengottesdiensten, bei den Andachten in den Häusern aber auch zu Bibelgesprächen begegnen. 
Darüber hinaus ist die Tracht das, was uns nicht nur äußerlich verbindet. Die gemeinsame Tracht ist immer sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu einer geistlichen Gemeinschaft. Wir haben für unser Mutterhaus entschieden, dass wir dieses Zeichen beibehalten wollen. Ich selber, das muss ich sagen, fühle mich in der Tracht sehr wohl und möchte sie nicht mehr gegen die Zivilkleidung eintauschen!

Online-Redaktion: Hier in der Diakonie Neuendettelsau wird der spirituellen Arbeit noch genügend Raum gegeben.

Oberin Biewald: Das ist richtig. Die unterschiedlichen gottesdienstlichen Angebote, auch das Mittagslob in unserer Laurentiuskirche laden Menschen ein, sich für eine kurze Zeit aus dem Alltagstrott herauszunehmen, und sich in die Gegenwart Gottes zu stellen. Es kommen Schulklassen und Besuchergruppen, Neugierige und regelmäßige Besucher und Besucherinnen.
Wir als Diakonissengemeinschaft laden Montag und Mittwoch zu einer 15- minütigen Morgenandacht in den dritten Stock des Mutterhauses ein, bei der wir einen großen Teil der Zeit im Schweigen vor Gott verbringen. Den Rahmen bilden ein Lied und ein gemeinsames Schlussgebet. Wir werden den ganzen Tag mit Worten zugetextet – die Andacht will anleiten, auf sich und auf Gott zu hören. Am Freitag halten wir in einem der Häuser, in dem die Schwestern leben, für die Mitarbeitenden und die Schwestern eine Wortandacht. Eingeladen sind alle, die Interesse haben oder auch nur mal neugierig sind.

Online-Redaktion: Kann man so auch Antworten auf seine Glaubens- und Lebensfragen finden?

Oberin Biewald: Es ist auf jeden Fall ein Weg, der zum Ziel führt. Für mich selber ist er sehr hilfreich. Der Glaube bildet eine Kraftquelle, die in guten und vor allem in schlechten Zeiten wie Krankheit, Kummer oder Trauer mich stärkt und mich nach vorne schauen lässt.

Online-Redaktion: Das ist gut, denn viele Menschen sind auf Sinnsuche. Merken Sie das auch am Interesse am Diakonissenleben? Wächst Ihre Gemeinschaft?

Oberin Biewald: Menschen suchen nach Orientierung, nur diese Suche führt sie nicht automatisch in eine Schwesternschaft. Sich für ein Leben in der Diakonissengemeinschaft zu entscheiden, dazu gehört dann jedoch mehr.  Derzeit habe ich keine Anfragen vorliegen, aber vielleicht liegt es ja daran, dass das Diakonissenleben insgesamt nicht sehr bekannt ist und nur wenige Menschen wissen, welche neuen Wege wir hier in Neuendettelsau gerade einschlagen. Die Mitglieder unserer kleinen Wohngemeinschaft im Mutterhaus z. B. üben neue Formen des gemeinsamen Lebens ein: Wir gehen ganz verschiedenen Berufen nach, versorgen uns selber, halten gemeinsame Gebetszeiten und sprechen das Miteinander ab. Dahinter steht das kommunitäre Modell, an dem wir uns gerne orientieren.
Wer neugierig geworden ist und uns kennenlernen will, ist herzlich eingeladen, Kontakt mit uns aufzunehmen.